© Claudia Madlener
Fühlen Sie sich als Wiener Original?
Ja. Die Schwäbische Jungfrau ist immerhin 300 Jahre alt. Das ist protokolliert. Ich bin sozusagen die einzige protokollierte Jungfrau auf der Welt. Ich habe den Herren der Schöpfung immer gesagt: Was immer Sie mit mir anstellen, ich bleibe eine Jungfrau! (lacht)
Aber im Ernst, es gibt so schöne, alte Geschäfte, die einfach zu Wien gehören und die sollte man auch pflegen und unterstützen. Ich sage immer, wir Geschäfte sind die Landschaftsgärtner der Innenstadt.
Die Schwäbische Jungfrau ist eines der ältesten Geschäfte in Wien.
Ja, viele andere gibt es leider nicht mehr. Wir hatten in unseren 300 Jahren Bestehen verschiedene Standorte. Zuerst am Haarmarkt, da gibt es eine Legende, dass sogar Maria-Theresia als Kind ihr erstes Spitzentascherl von der Schwäbischen Jungfrau bekommen hat. Heute sind wir am Graben. Den oberen Stock habe ich 1975 dazu gemietet. Das Haus war voller Bombenschäden, als ich es übernommen habe.
Seit wann führen Sie das Geschäft?
Seit 1959. Meine Eltern waren davor lange Kunden, und als sie erfahren haben, dass das Geschäft verkauft werden soll, haben sie es für mich genommen. Ich war damals 21 Jahre alt. Vor der Übernahme konnte ich noch sechs Wochen in einer Leinenfabrik in Deutschland ein Praktikum machen. Dann bin ich zurückgekommen und ins kalte Wasser gesprungen. Mein Startkapital war 19.800 Schilling, die ich mir erspart habe. Ich war nämlich davor Näherin und auf der Modeschule. Eigentlich wollte ich ja Sängerin werden. Aber mein Vater meinte dann: Bevor du eine mittelmäßige Künstlerin wirst, lern auf jeden Fall was Gescheites! (lacht)
Das heißt, die Liebe zum Nähen war immer schon da?
Ja, auch meine Mutter hat für uns schon immer viel genäht. Meine Eltern haben mir beigebracht: Orientier dich am Schönen.
Und wie waren Ihre ersten Geschäftsjahre?
Zu Beginn hatte ich noch ein paar Probleme. Bei der Innung wollten sie mir zuerst den Gewerbeschein nicht geben. Ich hatte Monate lang am Abend nach der Arbeit einen Meisterkurs gemacht. Ich war dann Meisterin in Damenschneiderei, aber sie meinten, mir fehlt die Meisterprüfung in Weißnähen. Da habe ich dort einen Schreikrampf gekriegt und vor Wut geheult und dann habe ich den Gewerbeschein bekommen. Ein Vertreter hat mir später erzählt, dass alle sich gefragt haben, ob ich das packe. Aber ich hab’s geschafft! Meine Familie hat mich auch immer unterstützt und ich kann ordentlich zupacken.
Wer ist heute Ihre typische Kundschaft?
Unser Standbein war immer das Bürgertum. Aber auch die Aristokratie, also große Häuser. Das ist nach wie vor so. Aber wir sind natürlich für alle offen, die Sinn für Qualität haben.
Was würden Sie einer jungen Unternehmerin oder einem jungen Unternehmer heute raten?
Zu allem gehört Glück, Talent und Fleiß. Das hat mein Vater immer gesagt. Ein bisschen Glück muss man schon haben. Wenn ich damals bei meiner Meisterprüfung nicht aufgedreht hätte, hätte ich das Geschäft nicht bekommen. Und jeder sollte das machen, was ihm oder ihr Freude macht!
© Claudia Madlener
Jetzt führt ihr Neffe ja auch das Geschäft mit, oder?
Ja, genau, er ist jetzt sechs Jahre bei mir und er ist sehr brav! (lacht)
Wie geht das Geschäft momentan in der Krise?
Ich glaube, dass viele ihre Anschaffungen momentan aufschieben. Viele Menschen haben ja auch ihren Job verloren. Aber die Kundschaft bleibt uns schon treu. Wir haben schon viel mitgemacht. 1968 gab es zum Beispiel einen Brand im Geschäft. Das war schrecklich für mich, aber wir haben alles überlebt.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Wenn man 83 ist, hat man wahrscheinlich nicht mehr 50 Jahre, sondern nur mehr 20 Jahre und das ist mir schon ein bisschen wenig. Ich hätte noch viel vor. Ich möchte noch viel lesen und mich noch mehr mit Kunst und Musik auseinandersetzen. Ich würde gerne die schönen Dinge des Lebens noch besser genießen. Vieles ist doch in der Arbeit untergegangen. Aber ich fühle mich noch jung!
Zur Schwäbischen Jungfrau
Graben 26, 1010 Wien
zsj.at/de/