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PIATNIK – ein Wiener Original

Gesellschaftsspiele wie „Activity“ und „DKT“ begeistern Generationen von Menschen. Die Hersteller-Firma Piatnik, ein Wiener Original, macht Familien seit 200 Jahren glücklich.
Mitten im 14. Bezirk befindet sich eine alte Fabrik, in der Spiel und Spaß für Menschen in der ganzen Welt produziert werden. Allein von „Activity“ hat Piatnik in den 30 Jahren seit der Erfindung elf Millionen Ausgaben in vielen Sprachen verkauft. Wir besuchten Geschäftsführer Dieter Strehl und haben ihm einige Fragen gestellt.

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© Dieter Strehl


Was macht die Firma Piatnik zum Wiener Original?
Das ursprüngliche Unternehmen wurde 1824 in Wien gegründet und der genaue Firmenname lautet heute: Wiener Spielkartenfabrik Ferd. Piatnik & Söhne. Nachdem wir seit Beginn hier in Wien produziert haben, passt das „Original“ als Prädikat ganz gut.  

Erzählen Sie uns ein wenig aus der Unternehmensgeschichte. Was sind die wichtigsten Eckdaten aus Ihrer Sicht?
Mein Ururgroßvater ist 1842 in das Unternehmen eingetreten, das ursprünglich von Anton Moser gegründet wurde, und hat es nach dessen Tod übernommen und unter eigenem Namen weitergeführt. Seit damals gibt es also die Firma Piatnik. Damals gab es sehr viele Spielkarten-erzeugende Handwerksbetriebe – maschinell war das noch nicht möglich –, und im Lauf der Zeit nahm die Branche eine rasante Entwicklung. Meine Vorfahren haben dann um 1900 herum viele Zweigbetriebe in anderen Teilen der damaligen Donau-Monarchie entweder neu gegründet oder durch Übernahmen eröffnet – etwa in Prag, Budapest und Krakau. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die Niederlassungen im kommunistischen Teil Europas enteignet, das Unternehmen wurde sozusagen wieder auf das Stammhaus in Wien „zurückgestutzt“. Und Piatnik hat sich stattdessen mehr in Richtung Westen und Nordwesten orientiert. Erst mit der Wende ab 1989 hat sich das wieder geändert. Wir haben dann in Budapest und Prag wieder Vertriebsgesellschaften gegründet, über die wir nicht nur eigne Produkte verkauft haben, sondern auch Marken und Spiele von anderen Herstellern – zum Beispiel Playmobil, das hatte es natürlich im Kommunismus nicht gegeben.

Und konnten Sie dort rasch ähnliche Erfolge wie bis dahin im Westen verbuchen.
Absolut, ja. Unser größter Erfolg war auch dort „Activity“, das in Ungarn mehr als zehn Jahre lang auch als TV-Show lief. Die Kandidatinnen und Kandidaten haben Begriffe gezeichnet, erklärt und dargestellt und von den Produzenten ein Preisgeld erhalten. Etwas Ähnliches gelang übrigens auch in Deutschland: Auf Pro 7 lief ein gutes Jahr lang die Game-Show „Extreme Activity“. Beide Sendungen kamen übrigens im Hauptabendprogramm – die hatten richtig viel Publikum. Insgesamt steht Activity, das inzwischen drei Jahrzehnte alt ist, bei elf Millionen verkauften Ausgaben in unterschiedlichen Sprachen und Editionen. Mehr als eine Million davon wurden hier in Wien in Kyrillischer Schrift hergestellt und in Russland verkauft.

Wurde Activity hier im Haus entwickelt?
Das ist nicht ganz exakt. Wir sind ein Spieleverlag, und ähnlich wie bei einem Buchverlag sitzen die Autorinnen und Autoren nicht bei uns – das sind keine Angestellten. Tatsächlich gibt es wirkliche Spiele-Erfinderinnen und -Erfinder, die immer wieder Ideen einreichen. Im Fall von Activity stammt die Idee von zwei Ehepaaren. Der Titel des Spiels ist aber uns als Unternehmen eingefallen. Wir bringen jedes Jahr eine neue Ausgabe heraus, um die Spielefamilie lebendig zu halten.

Sie sind 1983 ins Familienunternehmen eingestiegen – war das eine logische Laufbahn?
Nein, gar nicht. Ich habe Wirtschaft studiert, war dann bei verschiedenen Unternehmen wie z.B. einer österreichischen Bank, aber auch in den USA, in Chicago. Irgendwann dachte ich mir, dass das Familienunternehmen, in das ich neben vielen anderen hineingeboren wurde, ein eigentlich sehr interessantes Unternehmen ist – mit Exporten in ganz viele Länder, was in den 80er-Jahren noch nicht so üblich war. Man verkauft seine Ware mal an einen Australier, mal an einen Japaner, dann wieder einem Südtiroler, das fand ich sehr spannend. Ich habe auch immer gerne mit Menschen zusammengearbeitet. Diese Entwicklung war also nicht von frühester Jugend an geplant, und ich war auch nicht das einzige Familienmitglied, das für diese Funktion – seit 1995 bin ich Geschäftsführer – in Frage kam. Aber ich habe es nie bereut und es macht immer noch Spaß.

Wie hat sich Corona auf ihr Geschäft ausgewirkt – hatten die Menschen im Lockdown mehr Bedarf an guten Spielen?
Wir gehören sicher zu den sehr vielen Unternehmen, die einen größeren Erfolg in dieser Zeit hatten – im Gegensatz etwa zur Gastronomie, zum Tourismus oder Event-Veranstaltern. Während der Lockdowns haben die Leute vielfach eine Beschäftigung gesucht, hauptsächlich die Erwachsenen. Tatsächlich sind Puzzles mit vielen Teilen sowie Gesellschaftsspiele plötzlich sehr gefragt gewesen. Teils gab es Lieferprobleme. Und auch Klassiker wie DKT oder eben Activity sind noch stärker nachgefragt worden. In der Produktion sind wir zweischichtig gefahren, eine Spielkarten-Produktion im Homeoffice konnten wir ja nicht aufziehen. Unser Hygiene-Konzept war aber gut überlegt und wirksam, mittlerweile sind mehr als 90 Prozent der Piatnik-Mitarbeitenden bereits zum zweiten Mal geimpft.

Gibt es sonst irgendwelche Trends in der Welt der Spiele zu beobachten?
Grundsätzlich gibt es so viele Spiele wie nie zuvor, ein schier unüberschaubares Angebot im deutschen Sprachraum. Ganz ähnlich wie bei den Büchern, es gibt zu jedem Thema und für jeden Bedarf etwas. Die Klassiker werden aber auch künftig der „Backbone“ in unserer Branche bleiben. Das sind Spiele, die jeder irgendwie kennt, wo man sich nicht lange mit den Regeln beschäftigen muss. Auch das israelische Spiel Rummikub fällt da z.B. hinein, eines der erfolgreichsten Familienspiele weltweit, mit 50 Millionen verkauften Exemplaren. Aber auch jüngere Entwicklungen aus Wien gehen gut, wie zum Beispiel das Quiz-Spiel „Smart 10“.

Wie läuft die Entwicklung eines neuen Spieles ab? Welche Chance haben die eingereichten Spiele-Ideen?
Neben den Konzepten der vielen Spiele-Entwicklerinnen und -Entwickler erreichen uns natürlich auch Vorschläge und Ideen vieler Verlage aus anderen Ländern. Da geht es um eine Adaption bereits erfolgreicher Konzepte für den deutschsprachigen Markt. Insgesamt kommen aber sicher um die tausend Vorschläge pro Jahr zusammen, von denen im Endeffekt 20 bis 25 umgesetzt werden.

Und wie viele unterschiedliche Spiele gibt es im Piatnik-Programm, wenn wir einzelne Adaptionen von Spielen weglassen?  
Dann liegen wir bei ungefähr 250 unterschiedlichen Spielen.

Was ist ihr Ihr absolutes Lieblingsprodukt von Piatnik?
Am liebsten spiele ich selbst Tarock.

Welche Spiele sollten in jedem gut sortierten Haushalt vorhanden sein?
Ganz grundsätzlich: Man kann nie genug Spiele haben, aber die endgültige Entscheidung ist natürlich sehr subjektiv. Es gibt Strategiespiele, Buchstaben- oder Wortspiele, Laufspiele mit Würfel – andere Leute spielen lieber mit Pokerwürfeln oder Karten.

Spüren Sie eine "Konkurrenz" von digitalen Spielen und Spielkonsolen?
Nein. Es gibt ja eine Reihe von Sachen, die man „spielt“, z.B. Fußball oder Tennis, aber auch Theater, mit Kegeln oder mit Bocciakugeln. Oder eben mit Computern. Das Spielen ist dem Menschen immanent, und noch mehr: Auch Tiere spielen – z.B. die Katze mit dem Wollknäuel. Es gehört einfach zu unser aller Natur dazu. Nur werde ich aus einem leidenschaftlichen Schachspieler vielleicht keinen Fußballer machen, oder umgekehrt. Man bleibt da eher bei seinen Vorlieben. Und einzelne Menschen spielen mit allem, was sie nur irgendwie in die Finger bekommen können.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft von Piatnik?
Ich wünsch mir, dass wir noch viele tolle Spiele herausbringen, die ganz vielen Menschen Freude bereiten.


Wiener Spielkartenfabrik Ferd. Piatnik & Söhne
Hütteldorfer Straße 229-231, 1140 Wien
www.piatnik.com

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