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Musikhaus Doblinger – ein Wiener Original

Das Musikhaus Doblinger hat seit seiner Gründung 1817 mehr als 200 Jahre Wiener Geschichte miterlebt. 2021 gab es einen Eigentümerwechsel, nach dem der Musikalienhandel und der Musikverlag in zwei Unternehmen geteilt wurden, die freilich immer noch eng miteinander verbunden sind. Wir haben Geschäftsführer Andreas Lanner und den langjährigen Doblinger-Mitarbeiter und Musikhausleiter Robert Pichler vor Ort besucht und ihnen einige Fragen gestellt.

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© Bernhard Madlener

Den "Doblinger" kennt man in ganz Wien: Wenn es um Musiknoten geht, war und ist man hier richtig – egal, um welche Epoche oder welche Künstlerinnen und Künstler es geht. Wie würden Sie ihre persönliche Beziehung zum Unternehmen beschreiben?
Andreas Lanner: Wir haben in Wien als mittelständischer Konzertveranstalter vor knapp 20 Jahren begonnen und uns mittlerweile zu einem der europaweit führenden Veranstalter im Klassikbereich entwickelt. Dabei haben wir eine Vielzahl an Künstlerinnen und Künstler unter Vertrag, mit denen wir internationale Kundinnen und Kunden ansprechen – vorwiegend aus Kanada, den USA, Neuseeland und Australien. Und da braucht es natürlich immer das entsprechende „Material“, um ein ordentliches Repertoire aufbauen und schließlich spielen zu können. Das Musikhaus Doblinger hat uns wie auch unseren Künstlerinnen und Künstlern dafür natürlich früher schon eine maßgebliche Basis geliefert. Es zeichnet sich durch ein tolles Sortiment aus, sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit enormem Fachwissen – insofern wurde es von den Künstlerinnen und Künstlern in Wien aber auch weit über die Grenzen hinaus quasi stets als die erste Anlaufstelle betrachtet.

Robert Pichler: Mein persönlicher Bezug ist ganz klar: Ich habe hier als Lehrling begonnen und den Beruf des Musikalienhändlers erlernt – heute ist dieser in die Ausbildung für den Buch- und Medienhandel aufgegangen. Meine Ausbildungszeit ist jetzt gut 40 Jahre her und ich habe mein gesamtes berufliches Leben hier verbracht.  


2021 haben Sie, Herr Lanner, das Musikhaus Doblinger mitten in der Corona-Pandemie übernommen. Wie genau ordnet sich das Unternehmen in Ihr Portfolio ein?
Andreas Lanner: Die Pandemie hat sich natürlich nicht sehr vorteilhaft auf das Veranstaltungsgeschäft ausgewirkt, das wissen wir alle. De facto haben sich bei uns freie Kapazitäten ergeben – im vollen Geschäftsbetrieb wäre so eine Übernahme nur sehr schwer zu bewerkstelligen gewesen. Aber nachdem sich Peter Pany, ein direkter Nachfahre des Unternehmensgründers Bernhard Herzmansky, stärker auf die verlegerische Tätigkeit fokussieren wollte, wurde eine neue Leitung für den Handel gesucht. Die beiden Standbeine wurden rechtlich auf zwei Unternehmen aufgeteilt, was insgesamt ein Win-win für alle Beteiligten ist: Peter Pany kann sich nun mit Leib und Seele dem Verlag widmen, wo sein Herzblut liegt, und der Musikalienhandel wird von uns ganz stark in Richtung Digitalisierung umgebaut, um auch künftig so relevant zu bleiben. Die Verbindung zwischen den beiden Unternehmen bleibt natürlich sehr eng, es ist eine kollegiale Partnerschaft. Wir teilen uns immerhin eine Marke und eine Adresse: Hier im Erdgeschoss in der Dorotheergasse 10 bleibt weiterhin der Musikalienhandel, und im ersten Stock ist der Verlag untergebracht.


Stichwort Digitalisierung: Was haben Sie vor? 
Andreas Lanner: Ich möchte vorausschicken, dass schon in den vergangenen Jahren Schritte in Richtung Digitalisierung unternommen wurden. Diese orientierten sich vor allem nach außen, zu den Kundinnen und Kunden hin – etwa mit dem Webshop. Das war aber nicht ausreichend kompetitiv, wenn wir an die großen Player am Markt denken – und hier setzen wir an, um im internationalen Wettbewerb Schritt halten zu können. Zentral sind diverse Automatisierungsprozesse im Bereich des Einkaufs, die aber natürlich auch wieder auf den Online-Vertrieb abzielen – auf eine noch stärker serviceorientierte, schnelle Logistik.


Was dürfen wir uns darunter konkret vorstellen?
Andreas Lanner: Möglichst alles, was „hinter den Kulissen“ abläuft, wird durch die digitale Abbildung von Prozessen wirtschaftlicher gemacht. Das fängt dabei an, dass man kein E-Mail mehr schreibt, um Artikel nachzubestellen, sondern dass mit dem Verkauf von Produkten automatisch eine Nachbestellung beim Verlag ausgelöst wird. Hier kommt auch ein gänzlich neuer Webshop ins Spiel, der ebenfalls direkt an die Schnittstellen der Verlage angebunden werden soll. Wenn ich digitale Strukturen aufbaue, kann ich viel mehr anbieten, als ich lokal im Geschäft habe. Derzeit haben wir bei Doblinger rund 400.000 Artikel online gelistet – künftig sollen es bis zu zwei Millionen sein. Nur, dass ich dafür kein komplettes Lager finanzieren muss. Zudem haben wir Kooperationen mit Anbietern von digitalen Produkten, und bieten unseren Kundinnen und Kunden deren Nutzung an. Es hat ja z.B. nicht jeder einen Drucker zu Hause – wer dennoch statt einem ganzen Album z.B. nur die Noten für einen bestimmten Song kaufen und diese nicht nur am Bildschirm haben will, kann bei uns bestellen und wir machen einen hochwertigen Ausdruck verfügbar. Insgesamt stellen wir die gesamte Warenwirtschaft neu auf – und dafür investieren wir auch ordentlich, wir sprechen in diesem Bereich alleine von 250.000 Euro aufwärts.


Welche Rolle wird das Geschäft – als analoge Verkaufsstelle – dabei noch spielen?
Andreas Lanner: Der Musikhandel mit seinem Verkaufspersonal wird immer das Herzstück sein. Ich betone nochmals: Wir digitalisieren hinter den Kulissen – aber was die serviceorientierte Kundenberatung angeht, da spielt der Mensch die zentrale Rolle, das kann und will ich nicht automatisieren. Wenn ein Musiker ein neues Stück mit einer bestimmten Besetzung sucht, dann kann er das nicht so einfach googlen – da braucht es Beratung, Erfahrung und einen Überblick über den Markt, historisch wie aktuell. Der Fachhandel ist gerade in unserer Branche weiterhin sehr gefragt.

Robert Pichler: Natürlich hat sich der Musikalienhandel über die vergangenen Jahrzehnte verändert und man findet europaweit nicht mehr wahnsinnig viele spezialisierte Geschäfte. Wir beraten hinsichtlich Arrangements, Besetzungen, Schwierigkeitsgraden usw. – und genau das, diese Expertise und das Kundenservice, macht den Doblinger seit jeher aus: Die Beratung bleibt die Brücke zum Konsumenten.



Wie sehr wird sich das Geschäft selbst verändern – wieviel „Wiener Original“ bleibt beim Doblinger sichtbar? 
Andreas Lanner: Mit dem Fokus auf Beratung, persönlicher Betreuung und Fachwissen bleiben wir dem treu, was die Kundinnen und Kunden kennen und schätzen. Aber natürlich ist auch hier in der Dorotheergasse 10 die Neustrukturierung bereits erkennbar. Die Klassik-Abteilung wurde neu gestaltet und modernisiert. Die Pop-Abteilung befindet sich jetzt, im Frühjahr 2022, gerade in Umbau, und wird noch vor dem Sommer wieder eröffnet. Ein neuer Schwerpunkt wird künftig auf dem Bereich der Chormusik liegen. Wir schaffen die größte österreichische Chor-Abteilung, die wir damit aus dem Klassikbereich herausheben, wo sie bislang integriert war. Die Chor-Community ist vor Corona stark gewachsen, und diese Entwicklung wird auch danach wieder kommen.


Wie wichtig ist es eigentlich, als Fachhändler selbst ein Instrument zu spielen?
Peter Pichler: Das ist eigentlich ein Muss, wenn man wirklich ein Gefühl dafür bekommen möchte, was die Kundschaft braucht. Mein Hauptinstrument ist das Schlagzeug, und die gesamte Belegschaft hier, wir sind alles Musikerinnen und Musiker. Es gab auch immer wieder Bands, zu denen sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zusammengeschlossen haben. Man tut sich dann auch jedenfalls viel leichter und wird entsprechend ernst genommen, wenn Künstlerinnen und Künstler unser Haus beehren – es kommen ja immer wieder auch Stars wie z.B. James Levine, Sting oder Rainhard Fendrich zu uns. Ganz toll war auch, als vor vielen Jahren die Opernsängerin Agnes Baltsa für eine Autogrammstunde bei uns war – da sind die Leute auf der Straße Schlange gestanden.


Was wünschen Sie sich für die Zukunft des Unternehmens?
Andreas Lanner: Das Musikhaus Doblinger soll eindeutig wieder ein „Big Player“ auf seinem Sektor sein – so wie zur Jahrhundertwende um 1900. An diese Glanzzeiten möchten wir anschließen – mit natürlich anderen Vorzeichen, Herausforderungen und Strategien.

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