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Der Tagada: ein Wiener Original

Generationen von Wienerinnen und Wienern haben auf dem „Tagada“ ihre Balance gefunden, soziale Kontakte geknüpft, ihre Jugend zelebriert. Das sich drehende, hüpfende, wackelnde und rüttelnde Disco-Karussell ist eine Institution: Schon seit dem Ende der 1970er Jahre gibt es diese Attraktion im Wiener Prater. Wenn die Anfeuerungsrufe aus dem Lautsprecher des Kassenhäuschens die Musikhits übertönen, dann ist heute wie damals Action angesagt: Die ganz Verwegenen präsentieren sich stehend den Schaulustigen, während andere Fahrgäste sich kreischend vor Vergnügen festklammern.

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© Ozen Guney

Der Tagada ist eine echte Institution, die seit 1994 von Thomas Sittler-Schaaf geführt wird. Er ist Mitglied einer der ältesten Familien, die hier seit Generationen die Wiener Vergnügungsmeile prägen: Bereits 1921 kamen seine Vorfahren als Schausteller in den Wurstelprater. Die Familie seiner Frau Victoria ist die älteste noch aktive Prater-Dynastie: Die Schaafs waren schon 1866 hier. Wir sprachen mit Thomas Sittler-Schaaf über den Tagada und Traditionen.




Es gibt über den Tagada Reportagen, eine Webseite mit News und sogar einen Kurzfilm über Jugendliche, die hier ihre Runden drehen.


Was macht die Faszination des Tagada wohl aus?
Es ist ein individuelles Karussell, auf dem die Leute sich zeigen und präsentieren können. Gerade in unserer Zeit ist es oft das, was junge Menschen wollen: Bei uns werden sie auf eine Bühne gehoben und bewundert. Anschließend teilen sie Videos davon auf Social Media. Der Tagada passt in jede Zeit, und besonders in unsere.

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© Thomas Sittler


 Fahren Sie selbst noch Tagada?

Heute nicht mehr (lacht) Aber in meiner Jugendzeit war ich sehr stolz, meine Freundinnen und Freunde einladen zu können. Ich habe den Tagada dann gern gesteuert und sie übers Mikro angefeuert. Heute mache ich das nicht mehr so oft, jetzt müssen Jüngere ran. Jede Generation braucht ihren eigenen Operator.


Was bedeutet Tradition in Ihrem Gewerbe?
Das wichtigste ist die Qualität. Dass sich die Leute gut fühlen und jeder zufrieden ist. Wir wollen unterhalten und glücklich machen und für die Besucherinnen und Besucher schöne Erinnerungen schaffen – das ist für mich gelebte Tradition. 

Sie und Ihre Frau Victoria stammen beide aus alten Praterfamilien. Was bedeutet das für Sie?
Ich bin ein glücklicher Mann und lebe, wie ich es mir immer erhofft hatte. Das Schönste, das mir je passieren konnte, war meine Frau lieben zu lernen!

… gekannt haben Sie sich ja bestimmt schon länger, als Kinder zweier Praterdynastien ...
Ewig! Aber erst vor 11 Jahren haben wir uns auch verliebt. Wir wohnen direkt hinter dem Tagada im Prater mit unserem Sohn Oscar, er ist jetzt 10 Jahre alt.

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© Thomas Sittler


Ob er wohl so wie Sie damals von Ihrem Vater auch den Familienbetrieb übernehmen wird?
Ich würde mich sehr freuen, aber ich würe ihn nie dazu zwingen. Aber er ist schon jetzt überall dabei – so wie ich bei meinem Vater damals. Auch meine Eltern haben mich nie gezwungen. Aber für mich gab es schon als Bub nichts Schöneres, als am Wochenende an der Kassa zu sitzen und das Praterleben hautnah zu erleben.

Arbeiten Sie mit Ihrer Frau zusammen?  
Ja, wir sind ein Team, Victoria und ich. Sie steuert manchmal auch den Tagada und ist darin sogar noch besser als ich, weil sie so einfühlsam ist. Sie ist die einzige Frau, die das Fahrgeschäft jemals gesteuert hat. Das muss man lernen wie Autofahren, man kann den Tagada durch falsche Manöver auch kaputt machen. Aber sie hat ein unglaubliches Gefühl dafür, die Fahrgäste sind immer begeistert, wenn sie am Steuer sitzt.


Worauf muss man beim Steuern des Tagada achten?

Jede Fahrt ist anders. Vielleicht ist der Tagada auch deshalb so beliebt, weil du bei jeder Runde ein neues Erlebnis hast. Du musst genau beobachten und individuell auf die Fahrgäste eingehen: Sind bei einer Runde mehr Kinder dabei? Dann lässt du den Tagada nur sanft hüpfen. Eine Männerrunde kann man auch mal stärker durchrütteln, die wollen das meistens auch.


Sie betreiben neben dem Tagada auch den „Horror-Clown“, eine Virtual-Reality-Erlebnistour mit Gruseleffekten. Wäre ein Virtual-Reality-Tagada möglich?

Nein, das wäre viel zu kompliziert. Der Horror-Clown folgt einem ganz anderen Konzept. Da haben meine Frau und ich in die Zukunft geblickt und überlegt, wie man ein modernes Fahrvergnügen schaffen kann. Die Fahrgäste sitzen in kleinen Wagen und tragen Virtual-Reality-Brillen. Mit denen fahren sie durch eine leere Halle und bekommen die Horror-Effekte virtuell eingespielt. Die Leute sind jedes Mal begeistert, ich höre sie immer von drinnen schreien und lachen. Der Tagada dagegen ist ein analoges Vergnügen, das nur von einem Menschen manuell vermittelt werden kann. Nein, der Tagada bleibt so, wie er ist. Gelebte Tradition eben.

 

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