Milchfrau

Mehr als Toast und Negroni
Es gibt Lokale, die von vornherein aus einem klaren Businessplan entstehen. Und dann gibt es Lokale wie die Milchfrau, die aus einer Idee zwischen Freunden, einer gehörigen Portion Bauchgefühl und einem großen Schuss Leidenschaft geboren werden. In einer WG in München scherzten Sophia Reichert und Ion Barbu noch darüber, "vielleicht irgendwann mal ein eigenes Lokal aufzumachen". Doch mit dem Umzug nach Wien wurde aus den launigen Worten ein Plan – und aus dem Plan ein Herzensprojekt.
Französische Bistro-Vibes und Wiener Bodenständigkeit
Der Legende nach führte in den 1940er Jahren in diesem Haus Aloysia Kern ein Milchgeschäft. Heute lebt ihr Geist in Form der namentlich an diese Geschichte angelehnten nachbarschaftlichen Bar weiter. Auf der Karte: regionale Produkte, ehrliche Drinks, selbst gemachte Toasts und immer eine gute Portion Herzlichkeit. Neben dem kulinarischen Anspruch steht auch die soziale Verantwortung im Fokus: Lebensmittelverschwendung wird vermieden, regionale Kooperationen gefördert und die Gemeinschaft gestärkt. Die Milchfrau versteht sich als Wohnzimmer des Grätzels, ein Ort, an dem Menschen zusammenkommen, Geschichten teilen und sich zuhause fühlen.
Wie hat sich eure Idee vom Lokal zur Wirklichkeit entwickelt?
Sophia: Holprig. Es war ein langer Prozess. Ursprünglich war es nur ein Scherz zwischen uns in München, aber in Wien ist die Idee dann immer greifbarer geworden. Wir hatten beide Gastro-Erfahrung, aber kein Geld, keinen Plan, kein Lokal.
Ion: Und es war echt so ein seltsamer Kreislauf: Du brauchst einen Businessplan für ein Lokal, aber ohne Lokal kannst du keinen Businessplan schreiben. Wir haben viel herumprobiert, geschrieben, wieder verworfen. Als wir das erste Mal das Lokal gesehen haben, haben wir uns direkt verliebt, aber wir konnten uns die Ablöse damals nicht leisten.
Sophia: Nach eineinhalb Jahren war es aber schließlich so weit. Die Realität der Gastronomie ist harte Arbeit, viel bürokratisches Wissen, lange Stunden und Körpereinsatz. Dessen waren wir uns doch dank langer Arbeit in der Branche schon bewusst und haben uns entsprechend nicht blauäugig für eine Selbständigkeit entschieden.
© Milchfrau
Warum "Milchfrau" und was bedeutet euch die Geschichte von Aloysia Kern?
Sophia: Die Milchfrau soll es wirklich gegeben haben, die Legende besagt, dass Aloysia Kern in den 1940ern hier ein Milchgeschäft geführt hätte. Uns hat Aloysias Geschichte berührt, ihr Geist schwebt hier irgendwie positiv mit.
Wie entwickelt ihr eigentlich eure Getränke?
Ion: Wir wollten die Klassiker in richtig guter Qualität anbieten. Negroni, Margarita und andere Basics, die in Wien oft vernachlässigt werden. Dazu haben wir eigene Kreationen wie den Verjus Spritz entwickelt. Dieser ist aus einem Traubensaft von unserem Winzer entstanden, den wir kurzerhand mit Prosecco aufgegossen haben. Und irgendwann saßen wir dann da mit 40 Drink-Ideen und haben alles durchprobiert.
Sophia: Wir haben aber vieles verworfen, weil wir wollten, dass alles stimmig und klar ist. Weniger ist mehr. Was dann auf der Karte gelandet ist, beherrschen wir dafür blind. Zum Beispiel haben wir den Last Word in zwei Varianten: klassisch mit Gin und als Hommage an die Vorgänger-Bar auch mit Mezcal. Manche Sachen entstehen auch aus Zufällen: Beispielsweise, wenn Freundinnen oder Freunde im Urlaub was trinken und uns danach fragen, probieren wir es aus.
Und wie sieht das dann beim Essen aus?
Sophia: Auch da: schlicht, aber gut. Drei Grilled Cheese Toasts, eines davon vegan. Brot stammt von Mel&Koffie, dazu Raclette-Käse und von der Mayo bis zu den eingelegten Zwiebeln ist alles hausgemacht. Fleisch wollten wir bewusst nicht, weil es kaum jemand nachfragt.
Ion: Nachhaltigkeit spielt auch eine Rolle. Zum Beispiel machen wir Hummus, und das Aquafaba daraus nutzen wir für vegane Drinks. Recycle & Reuse könnte man sagen.
Wie ergänzt ihr das Angebot durch neue Rezepte?
Sophia: Vieles entsteht durch unsere Crew. Gerrit, unser Kollege, ist ein Foodie und bringt oft neue Ideen ein. Der vegane Toast ist von ihm. Bei mir zuhause haben wir Test-Cookings gemacht. Ion hatte auch mal eine Kimchi-Phase – sowas inspiriert dann.
Ion: Bei den Drinks schauen wir, dass wir ein ausgewogenes Angebot haben: bitter, sauer, süß, spritzig, stark. Ich schaue auch viel auf Insta Reels oder probiere einfach aus, was mir einfällt.
Welche Rolle spielt Food Pairing im Gesamtkonzept?
Sophia: Das war ehrlich gesagt kein großes Thema am Anfang. Aber dann haben wir gemerkt, dass die Sachen wirklich gut zusammenpassen. Last Word und Krautsalat zum Beispiel – sauer und frisch.
Ion: Genau. Wir haben die Toasts zuerst gemacht und dann Drinks dazu verkostet. Das hat einfach funktioniert.
Wie wichtig sind euch regionale Produkte?
Sophia: Sehr. Unser Wein kommt ausschließlich von österreichischen Winzern. Unser Hauptwinzer ist Hannes Schweighöfer. Mit ihm sind wir auch befreundet und er bringt uns immer wieder neue Jahrgänge vorbei.
Ion: Für den Herbst planen wir etwas mit Kürbis. Und unser Highlight kommt bald: Bananenbrot von "Bananik", einem Wiener Projekt, das reife Bananen rettet. Produziert wird es gemeinsam mit einem Sozialprojekt für Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen. Levi, der Gründer, hat uns das Bananenbrot schon persönlich vorbeigebracht. Es ist richtig gut.
Sophia: Wenn wir dann tagsüber öffnen, gibt’s Kaffee und Bananenbrot. Vielleicht später auch Tartes oder einfache Eintöpfe im Winter. Langfristig wollen wir auch kleine Kultur-Events machen: Lesungen, Akustik-Konzerte, kleine Ausstellungen. Die Milchfrau soll ein lebendiger Ort sein.
Welche Pläne habt ihr noch für die Zukunft?
Sophia: Unser Nebenraum – aktuell noch Lager – ist wie aus einem Film: modrig, alt, dunkel, ein bisschen schräg. Da steht eine alte, funktionsfähige Bar drin. Wir träumen davon, daraus eine kleine Zweit-Bar zu machen. Vielleicht für private Feiern oder als Partylocation.
Ion: Wichtig ist, dass die Milchfrau weiter wächst, aber immer so bleibt, wie wir sie lieben: ehrlich, entspannt und ein bisschen schräg. Gute Drinks, gutes Essen, gute Leute – das ist unser Ding.
REZEPTE:
Cocktail „Last word“
Jeweils 3 cl Gin, Maraschino, Gauloise Verte und Limettensaft.
Einfach auf Eis shaken, anschließend abseihen (strain) und in ein Nick & Nora-Glas füllen.
Mit einer Amarena-Kirsche garnieren.
Toast „Mit Dampf“
Zutaten:
• 2 Scheiben Dinkel-Sauerteigbrot (wir verwenden das Bio-Brot von Mel & Koffie)
• Vegane Mayonnaise mit körnigem Senf (unsere Mayo bereiten wir selbst zu: für eine größere Menge verwenden wir 600 ml Sojamilch, 1.350 ml Öl, 2 EL Estragonsenf für den Geschmack und eine Prise Salz)
• Einige Scheiben Gmundner Bergkäse
• 1 Scheibe Gmundner Raclettekäse
• Krautsalat, klassisch zubereitet – mit viel Kümmel
Zubereitung:
Die Brotscheiben beidseitig mit Butter bestreichen. Anschließend großzügig mit der Mayonnaise, dem Käse und dem Krautsalat belegen.
Den Toast auf dem Grill beidseitig goldbraun und knusprig braten, bis der Käse schön schmilzt.
Serviert wird der Toast mit hausgemachter Mayonnaise mit körnigem Senf und etwas Eingelegtem
Öffnungszeiten
- Di:
- 15:00-22:00 Uhr
- Mi:
- 15:00-22:00 Uhr
- Do:
- 15:00-22:00 Uhr
- Fr:
- 15:00-00:00 Uhr
- Sa:
- 15:00-00:00 Uhr