© Lisa AdamAtelier Lisa Adam
Atelier Lisa Adam: „Nähen ist eine Sprache
Du denkst bei Maßschneiderei an elitäre Salons, in denen mit Samthandschuhen und Seidenstoffen gewedelt wird? Dann hast du Lisa Adam noch nicht kennengelernt. Sie verwirklicht mit ihrem Wiener Atelier eine Vision von Slow Fashion, Selbstbestimmung und stilvoller Nachhaltigkeit.
Lisa Adam hat das gemacht, wovon viele träumen: Nach sicheren Jobs im Bankwesen und Projektmanagement hat sie sich in die Selbstständigkeit getraut – mit Nähmaschine, Meisterbrief (den sie im Juli 2024 in der Tasche hatte) und jeder Menge Leidenschaft.
„Ich habe eigentlich immer schon gerne genäht – auch als Hobby. Aber nach der Schule bin ich erstmal in der Bank gelandet“, erzählt Lisa Adam. Es war der Anfang einer klassischen Karriere – und der Beginn einer inneren Unruhe. Die Liebe zum Nähen ließ sie nie los. „Ich habe dann auch für andere genäht, und irgendwann haben die Leute gesagt: ‚Das gefällt uns – das würden wir dir abkaufen‘.“ Aus einer Leidenschaft wurde ein Plan: Lisa Adam startete berufsbegleitend eine Ausbildung und legte im Juli 2024 erfolgreich die Meisterprüfung in Niederösterreich ab.
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„Ich wollte etwas machen, das mich erfüllt und wo ich Menschen direkt begleiten kann“, sagt sie heute. Ihr Wechsel zur Maßschneiderin war nicht bloß ein Berufswechsel, sondern ein Akt strategischer Selbstverwirklichung. Ziel war es, ein nachhaltiges, handwerklich fundiertes Modegeschäft aufzubauen, das abseits des Massenmarktes funktioniert.
Slow Fashion statt schneller Trends
Was bei Lisa Adam aus der Werkstatt kommt, hat mit Fast Fashion so viel zu tun wie Tiefkühlpizza mit italienischer Hausmannskost. Denn im Zentrum ihrer Arbeit steht ein klares Bekenntnis: „Slow Fashion ist für mich die Gegenbewegung zu Fast Fashion.“ Adam setzt konsequent auf lokale Produktion, hochwertige Naturfasern und individuelle Fertigung. Alles entsteht im eigenen Atelier in Wien – vom ersten Maßnehmen bis zum letzten Knopf. „Ich mache alle Schritte selbst – das ist automatisch langsamer, aber es sichert die Qualität.“ Stoffe, Knöpfe, Farben: alles wird gemeinsam mit der Kundin ausgewählt, um ein Kleidungsstück zu erschaffen, das wirklich zur Trägerin passt.
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Im Atelier Lisa Adam geht’s nämlich nicht um Trends, sondern um Typen. Und die sollen sich nicht in Größen reinzwängen, die sowieso nie passen. „Ich finde es traurig, wenn Frauen glauben, sie dürften gewisse Sachen nicht tragen, weil sie angeblich nicht die Figur dafür haben“, sagt sie. Stattdessen gibt’s bei ihr Kleidung, die passt – zur Form, zur Person, zum Alltag.
„Ich möchte, dass sich jede Frau wohlfühlt – unabhängig von ihrer Figur oder Konfektionsgröße.“ Sie kritisiert starre Schönheitsnormen, die verunsichern: „Es ist schade, wenn Frauen sagen: ‚Das kann ich nicht tragen, ich habe zu dicke Oberschenkel. Wer sagt denn eigentlich, was okay ist?“
Die Schneiderin aus Wien berichtet von Kundinnen, die erstmals in ihrem Leben eine Hose tragen, die wirklich passt: „Die sind dann richtig happy, weil es ihnen steht und weil es einfach sitzt. Und plötzlich ist Selbstvertrauen da.“ „Ich möchte, dass Frauen sie selbst sein können, ohne sich über ihre Kleidung definieren zu müssen.“ Kleidung, die sitzt, stärkt das Selbstbewusstsein.
Diese Einstellung zieht sich durch ihr ganzes Konzept – vom Beratungsgespräch über die Einkaufsbegleitung bis hin zum Hausbesuch. „Ich fahre auch gerne zu meinen Kundinnen. Dann kann man gleich schauen, was in der Garderobe gut dazupasst.“
Die perfekte Capsule Wardrobe
„Weniger, aber besser“ – das ist ein Grundsatz ihrer Arbeit. Ihre Vision: eine Garderobe mit wenigen, aber vielseitigen und hochwertigen Stücken. „Capsule Wardrobe bedeutet nicht, dass alles beige ist“, lacht Adam. „Sondern, dass man einen eigenen Stil entwickelt und Teile besitzt, die sich gut kombinieren lassen.“ So unterstützt sie ihre Kundinnen auch dabei, ihre Farben zu finden. „Farben, die einem wirklich stehen“, so die Schneiderin.
Lisa Adam versteht ihr Atelier als Teil einer Bewegung hin zu bewussterem Modekonsum. „Viele entdecken gerade wieder das Reparieren, das Secondhand-Kaufen, das Selbermachen.“ Sie selbst hat seit Jahren keine Kleidung mehr im Geschäft gekauft. „Ich nähe oder kaufe Secondhand.