© Schoenbergers Kaffeegreissler
Trends bauen mitunter auf Traditionen. Was bedeutet es Ihnen, an einem denkmalgeschützten Ort zu arbeiten?
Das ist schon etwas Besonderes hier, ein Entwurf des Architekten Ernst Otto Hofmann. Unter seiner Führung wurden damals im Auftrag der Naber GmbH eine Handvoll Filialen mit ähnlichem Design gebaut. Es sind Orte der Wiener Kaffeegeschichte mit zwei Funktionen, die bei uns weiterhin bestehen: als Steh-Espresso und als Kaffee-Greisslerladen, in dem frische Röstungen zum Mitnehmen angeboten werden.
© Schoenbergers Kaffeegreissler
Was servieren Sie Ihren Gästen?
Neben Kaffee auch Tee, Aranciata, Limonata, gute Weine und Bier, wir sind ja kein Wiener Kaffeehaus mit vielen Torten und Mittagsmenü, sondern ein typisches Espresso der 50er Jahre, wie man es aus Italien kennt: Man trinkt schnell einen Kaffee, isst eine winzige Süssigkeit wie Mandorle dazu und zieht dann weiter ins Büro oder zum Einkauf. Unser Fokus liegt vor allem auf der „schokoladigen“ Seite, also auf dunkleren Röstungen, so wie man sie geschmacklich von Italien kennt. Die eine oder andere „fruchtige" Variante, die „nordische“ Röstung, rundet das Sortiment ab. Bei uns gibt es nur Trommelröstungen, das bedeutet höchste Qualität. Im „Kaffeegreissler“ stehen 50 verschiedene Röstungen aus kleinen und feinen italienischen, österreichischen und deutschen Privatröstereien zum Verkauf. Dazu die passenden Kaffeemaschinen und -mühlen. Es gibt immer zwei oder drei offene Röstungen vor Ort zum Verkosten, als Filterkaffee, Cold Brew oder Cialde (E.S.E.-Pad)-Kaffee. Wir servieren den Kaffee so, wie die Gäste ihn zuhause oder bei der Arbeit trinken würden: als Espresso, Macchiato, Corretto, Cappuccino, Caffè Latte, Filter, Affogato...
© Schoenbergers Kaffeegreissler
… die italienische Variante des Eiskaffees...
Genau. Dabei kommt es auf den Espresso an und auf das Eis. Aber die Kaffee-Qualität bestimmt das Geschmackserlebnis.
Welche Trends bemerken Sie in Sachen Kaffee?
Die Pandemie hat uns ein neues, kleines Biedermeier beschert. Die Menschen haben den Rückzug in die eigenen vier Wände dazu genützt, um nachzuspüren, was sie möchten. Den Moment genießen gehört dazu – und damit ein guter Kaffee. Die Leute schauen genauer darauf, was in ihre Tassen kommt. Und auch die Nachhaltigkeit spürt man: Ich bemerke einen Trend weg von den Kaffeekapseln
und hin zu den Pads. Die sind aus Papier, lassen sich umweltschonend entsorgen, in einem Pad ist auch doppelt so viel Kaffee wie in einer Kapsel.
Ist Kaffee der neue Wein? Sprich: Wollen sich die Leute besser auskennen als früher?
Es ist vielleicht nicht so ein starker Trend wie beim Wein, aber immer mehr Leute beschäftigen sich genauer mit Kaffee. Deshalb bieten wir auch Hobby-Baristakurse an. Für alle, die zu Hause und im Freundeskreis italienisches Kaffee-Flair genießen möchten. Sie lernen bei uns auf einer echten Gastro-Espresso-Maschine guten Kaffee zuzubereiten – und das Wissen für Ihre Maschine daheim zu nutzen.
Was ist das Geheimnis einer guten Kaffeemaschine?
Dass sie nicht überhitzt. Und: dass die Kaffeemühle richtig eingestellt ist. Darauf kommt’s nämlich an. Es gibt Leute, die haben eine tolle Kaffeemaschine, aber vergessen das Augenmerk auf das Mahlwerk zu richten.
Auf welcher Maschine brauen Sie den Espresso zum Konsumieren im Lokal?
Auf einer Black Eagle von Victoria Arduino – sie wurde speziell für die Anforderungen professioneller Baristi entworfen und ermöglicht mit jeder Tasse beste Kaffeequalität. Bei der Kaffeezubereitung ziehen wir übrigens immer zwei Portionen, denn diese Methode hebt den Geschmack des Kaffees nochmal besser hervor.
Wie trinken die Wienerinnen und Wiener traditionell ihren Kaffee, und ändert sich das?
Sie trinken den Kaffee gern mit Milch und Zucker. Aber je mehr sich die Leute mit Kaffee beschäftigen, desto eher trinken sie ihn „pur“. Wir bereiten unsere Milchkaffees als sogenannte „Flat-Whites“ zu, also mit selbst geschäumter Milchcreme, wie man sie aus Italien und Australien kennt. Die besticht durch ihre Süße und Feinporigkeit. Und natürlich dadurch, dass wir sie pro Tasse frisch zubereiten.
Das Einkaufsgrätzl der Wiedner Hauptstraße, zu dem Ihr Kaffeegreissler gehört...
… ist ein echtes Grätzl, wie man es sich vorstellt. Jeder kennt jeden, es ist wie in einem Dorf. Wir haben hier auf der oberen Wieden eine Art Nahversorger-Rolle: Man tauscht sich neben Kaffee über die täglichen Dinge des Lebens aus, hier wird auch schon mal ein Schlüssel deponiert oder ein Paket abgegeben. Ein paar Mal hat man mir auch die Kinder zur Obhut überlassen, um daneben beim Spar, Winzerkönig oder Chang, bei der Kochdame oder beim Rahmenmacher schnell etwas einkaufen zu gehen. Und wir leben den sozialen Gedanken mit unserer Sospeso-Initiative. Grätzl-Feeling pur.